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Teil 5: Das Priorisierungsdilemma und Verschlimmbesserungs-Paradoxon



Warum Aktionismus und Emotion den Projekterfolg gefährden und wie Sie das Schiff sicher auf Kurs halten.


Die Teile 1 und 2 unserer Projektmanagement-Serie beschäftigten sich mit den grundsätzlichen Rahmenbedingungen eines Projekts, wie beispielsweise Informationsasymmetrien, der Projektkommunikation sowie der Formalisierung von Projekten.

In Teil 3 und 4 betrachteten wir Problemstellungen beim Ramp-up, die zu schweren Folgefehlern und im schlimmsten Fall zum Kontrollverlust führen können. Wir zeigten Wege auf, um systemseitige Engpässe sowie daraus entstehende „Notlösungen“ durch gute Planung zu reduzieren oder im besten Fall zu vermeiden.

Der abschließende Teil unserer Serie beschäftigt sich nun mit Resilienz in schwierigen Projektphasen: Wie gehe ich mit Druck aus anderen Unternehmensbereichen um?

Zu dieser und den damit verknüpften Fragen geben wir Beispiele und beschreiben mögliche Lösungswege, die sich in eigenen Projekten als zielführend erwiesen haben.


Teil 4: Das Priorisierungsdilemma und Verschlimmbesserungs-Paradoxon


Viele schlechte Köche verderben den Brei …


In fast jedem Projekt gibt es irgendwann kritische Phasen. Wer kennt das nicht: Zeitfenster verschieben sich, Go-live-Termine können nicht gehalten werden, Produktivitätsziele werden nicht erreicht. Damit wächst der Druck aufs Projektteam – beispielsweise aus der Produktion, dem Vertrieb oder durch die eigenen Mitarbeiter. Richtig problematisch wird es dann häufig, wenn aufgrund dessen an vielen Stellschrauben gleichzeitig gedreht wird. Der Effekt einzelner Maßnahmen wird dadurch immer schwerer nachvollziehbar, im worst case führt das planlose „Herumdoktern“ am System zum Deadlock.


Die Ursache hierfür ist, dass in komplexen Transformationsprojekten auch immer Wechselwirkungen zwischen Systemen und Prozessen bestehen. Wichtig ist daher, sich dieser Problematik bewusst zu sein, die Interdependenzen möglichst genau dokumentiert zu haben und diese im weiteren Verlauf auch angemessen zu berücksichtigen,

Klare Strukturen, exakte Dokumentation sowie regelmäßige Kommunikation und Information sind jetzt entscheidend, um sich auch unter Druck mit einem vernünftigen Vorgehen gegenüber anderen Stakeholdern durchzusetzen.


Das Priorisierungsdilemma


Problemstellung


Viele Entscheidungen, die im Projekt getroffen werden, wirken sich meist gleich auf mehrere Abteilungen und deren verschiedenartige oder sogar entgegenstehende Interessen aus. Eine Frage, die sich deshalb immer wieder stellt, ist die nach der Priorisierung von Aufgaben und Maßnahmen im Rahmen einer Problembehebung im Projekt. Denn eine klar begründete und souverän kommunizierte Priorisierung hilft dabei, die vorprogrammierten Zielkonflikte zwischen den Fachbereichen in den Griff zu bekommen. Und diese treten häufiger auf, als man denkt. So führen Schwierigkeiten im Projekt z.B. oftmals zu einer notwendigen konkurrierenden Priorisierung von Kunden oder Kundengruppen, es steht der Kostendruck gegen eine notwendige Leistungsreserve oder bestehende Arbeitszeitregelungen verhindern die dringend benötigte Flexibilität.


Eine spezielle Rolle spielt hierbei oft die Verkaufsorganisation, der Vertrieb. Dieser neigt erfahrungemäß dazu, besonders starken Druck zur vermeintlichen und meist gut gemeinten Durchsetzung seiner Interessen auszuüben. Das schlagende Argument ist der Markt – d. h. drohender Kundenverlust und damit eine nachhaltige Beeinträchtigung des Unternehmensumsatzes.


Ein Beispiel...


Die Erfahrung aus meiner eigenen Praxis veranschaulicht recht gut, wie der Zielkonflikt entsteht und wie man ihm begegnen kann. Im Lagerverwaltungssystem war eine grundsätzliche, systemische Priorisierung von Kundenaufträgen vorgesehen:

  • Prio 3 = normaler Kunde = Standard

  • Prio 2 = wichtiger Kunde = Auftrag ist manuell abzustimmen

  • Prio 1 = TOP-Prio = Ausnahmefall, bspw. bei eigenverschuldeten Fehlern oder Falschlieferungen

Aufgrund verschiedener Anlaufprobleme im Projekt kam es zu einem deutlichen Rückstand in der Kundenauftragsbelieferung. Dadurch nahm der Druck durch die Vertriebsleitung und durch Vertriebsmitarbeiter auf das Projekt erheblich zu, bis hin zu wenig sachlichen und sehr persönlichen Auseinandersetzungen. Nach Maßgabe der Vertriebsleitung, dass wichtige Kundenaufträge Vorrang haben und unbedingt pünktlich ausgeliefert werden müssen, wurde im Folgenden ein Kompromiss vereinbart: Besonders wichtige Kunden wurden entsprechend den o.g. Kriterien vorgezogen.


Wozu das führte?


Der Rückstand der alten aber „unwichtigen“ Aufträge nahm schlagartig zu, da die priorisierten Aufträge die weniger wichtigen überholten. Insgesamt wurde der Rückstand deshalb täglich größer. Dieses hatte zur Folge, dass auch die zurückgestellten, älteren Aufträge zusehends wichtiger und infolgedessen wiederum höher priorisiert wurden.


Was also war passiert?

  • Der Leitstand war den ganzen Tag mit Priorisierung und Auskunft beschäftigt und konnte seiner eigentlichen Steuerungstätigkeit nicht mehr angemessen nachkommen

  • Ältere Aufträge blieben liegen und wurden dadurch zu wichtigen Aufträgen, d.h. sie wurden nach und nach ebenfalls priorisiert - am Ende gehörten mehr als 2/3 der Aufträge zur Gruppe mit Prio 1

  • Zudem wurde die sensible Steuerung des Gesamtsystems durch die permanenten Eingriffe ausgehebelt, so dass die Kette der Einzelprozesse deutlich ineffizienter wurde (Wartezeiten, Einzelfahrten der Fördertechnik, keine Wegeoptimierung im manuellen Bereich mehr möglich, etc.)

Die „Überpriorisierung“ auf Druck des Vertriebs führte dazu, dass noch weniger Kundenaufträge optimal erledigt wurden. Die abgewickelte Menge sowie der Servicelevel sanken anstatt zu steigen.

Das hausgemachte Dilemma konnte nur durchbrochen werden, in dem schließlich durch die Projektleitung jeglicher manuelle Eingriff in die Steuerung des Systems unterbunden wurde.


Vermeidungsstrategien


Was kann ich tun, um den im Beispiel geschilderten Zielkonflikten und schädlichen Entwicklungen von Anfang an entgegenzuwirken? Auch hier ist vorausschauende Planung die beste Empfehlung: Ich fand es immer sehr hilfreich, bereits früh im Projekt mögliche Szenarien für besonders relevante Prozesse zu erarbeiten, um im Ernstfall mit besserer Übersicht und Ruhe reagieren zu können.

Einen wesentlichen Einfluss auf die Performance in solchen kritischen Situationen hat die Qualität der Kommunikation mit den betroffenen Bereichen. Gerade wenn Probleme auftreten, sind ein strukturierter, regelmäßiger Austausch und verbindliche Vereinbarungen mit allen Stakeholdern unglaublich wichtig. Ich habe in Projekten häufig erlebt, dass Projektmitarbeiter bei wachsendem Druck dazu neigen, „(Not)Lösungen“ zu diskutieren und in Projektuntergruppen – d.h. vorbei an den eigentlichen Steuerungsgremien – zu implementieren.


Mein Rat an dieser Stelle: Richtungsentscheidungen sollten ausschließlich in einem zentralen Steuerkreis festgelegt und dort sehr offen diskutiert werden. Der Projektfortschritt muss parallel hierzu für alle Beteiligten nachvollziehbar in Regelmeetings berichtet und dokumentiert werden. Bilaterale Abstimmungen führen mittelfristig immer zu Kontrollverlusten – also diese unbedingt vermeiden!

Dies hilft auch dabei, kritische Themen und mögliche Zielkonflikte im offenen Austausch auf der Sachebene zu klären, die Gründe für temporäre Probleme verständlich zu machen und gemeinsam – ohne Emotionalität und Eskalationen – aufzulösen.



Das Verschlimmbesserungs-Paradoxon – Der Bizeps wächst vom Steuerrad-Herum-Gereiße


Problemstellung

Oft scheinen Prozessanpassungen isoliert betrachtet erst einmal recht einfach zu sein. Um jedoch auch die Wechselwirkungen mit anderen Bereichen zu erkennen, ist in jedem Fall eine detaillierte Betrachtung erforderlich. Denn ohne eine Bewertung der Folgewirkungen im Gesamtsystem sind einzelne Maßnahmen meist keine Lösung, sondern führen möglicherweise nur zu weiteren Problemen. In einem Projekt existieren in der Regel zahlreiche Open Issues – ggf. sind es mehrere hundert - die erst in eine sinnvolle Abarbeitungshierarchie gebracht werden müssen, um neue Fehlfunktionen oder sogar Deadlocks zu vermeiden

Auch bei der sukzessiven Umsetzung der priorisierten Maßnahmen ist Geduld geboten: Manche Anpassung braucht Zeit, um zu greifen! Auch hier ist es immer angeraten, erst die Wirkung einer Veränderung von Parametern abzuwarten, bevor die nächsten Schritte in die Umsetzung kommen.



Vermeidungsstrategien


Natürlich ist auch bei der Feinjustierung von (noch) nicht reibungslos laufenden Systemen ein enges Controlling und die permanente Dokumentation der erfolgten Anpassungen besonders wichtig.

Die beste Methodik aus meiner Sicht: Konsequentes PLAN-DO-CHECK-ACT auf der Grundlage von Maßnahmenlisten mit klar geregelten Zuständigkeiten, verbindlichen Terminen sowie stetiger Überprüfung und Nachverfolgung von Soll-/IST-Ergebnissen.

Die perfekte Ergänzung zu diesem rationalen Vorgehen ist eine transparente Kommunikation, d.h. die regelmäßige gegenseitige Information im Team. Wenn es um die Lösung kritischer Punkte geht, zeigt sich hier insbesondere auch die Qualität von Management und Unternehmenskultur: ein ehrlicher Austausch und eine offene Fehlerkultur zahlen sich in kritischen Projektphasen doppelt aus. Denn die daraus resultierende Fähigkeit, Schwierigkeiten gemeinsam durchzustehen, hilft enorm dabei, das Projektziel trotzdem schnell und gut gesteuert zu erreichen. Entscheidungen auf dem Flur oder im Affekt haben noch in keinem Projekt zum Erfolg beigetragen.


Falls sich dennoch Zielkonflikte zwischen Bereichen schlecht auflösen lassen oder „Betriebsblindheit“ an der ein oder anderen Stelle zur Stagnation führt, kann externe Unterstützung sinnvoll sein: als neutraler Part, der die Rolle als Mediator, Moderator oder kommunikative Instanz unvorbelastet wahrnehmen und emotionale Wogen glätten kann.


Fazit


Im Grunde ist es also ganz einfach – erfolgreiches Projektmanagement beruht im Wesentlichen auf Übersicht durch gute Vorbereitung und Planung, einem besonnenen Management und kluger Führung, die Konflikte und Eskalationen zugunsten von Kooperation und Teamwork vermeidet! Dann kann ja eigentlich nichts schief gehen...



Wir unterstützen Sie in der Projektvorbereitung und Umsetzung!


Wir bieten Ihnen die notwendigen Konzepte, um Ihre Projektstruktur geeignet aufzubauen und Ihr Projekt im Unternehmen zu begleiten. Aus unserer langjährigen Projekterfahrung resultiert ein Maßnahmenbaukasten, mit dem wir auf die wesentlichen o.g. Problemfelder mit genau darauf abgestimmten Handlungsempfehlungen reagieren können. Zur Unterstützung der Maßnahmen verfügen wir im Bedarfsfall über ein Netzwerk versierter Dienstleister, die mit Kapazitäten und spezialisiertem Know-how operativ unterstützen können.

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