top of page

Fortschritt ist Pflicht – aber erst die Hausaufgaben machen!

10. Nov. 2025

Silicon Valley Europe: Interview mit den ECONSIO-Gründern Stephanie Janz und Markus Irmler

Viele Mittelständler kennen das nur zu gut: Die Digitalisierung stockt, Projekte ziehen sich endlos hin, Systeme liefern am Ende nicht das, was sie eigentlich versprochen haben. Woran liegt das? Am falschen Tool? An der Technik? Oder vielleicht doch daran, dass vor dem Start die entscheidenden Hausaufgaben nicht gemacht wurden? Genau hier setzen Stephanie Janz und Markus Irmler mit ihrem Unternehmen ECONSIO an. Ihr Credo lautet: Erst Klarheit schaffen, dann loslegen. Denn ohne klare Ziele, saubere Prozesse und eine solide Datenqualität bleiben Digitalisierungs- und Automatisierungsvorhaben ein teures Glücksspiel.Im Gespräch berichten die beiden von den typischen Stolperfallen, an denen große Transformations-Vorhaben in IT und Logistik scheitern. Sie erklären, warum so viele Unternehmen beim Thema Digitalisierung und Automatisierung auf der Stelle treten, und was es braucht, um vom diffusen Bauchgefühl „Wir müssten mal …“ zu echter, messbarer Zielklarheit zu kommen. Dabei zeigen sie, wie ein Zielbildprozess konkret abläuft, welche Schritte notwendig sind, um mit der Umsetzung starten zu können, und weshalb Prozesse immer zuerst betrachtet werden müssen, bevor ein System eingeführt wird.

Natürlich sprechen wir auch über die heikle Frage der Datenqualität, denn oft sind es schlecht gepflegte Stammdaten oder unklare Schnittstellen, die Projekte zum Kippen bringen. Wie man solche Risiken frühzeitig erkennt und die Daten schnell auf ein projekttaugliches Niveau hebt, ohne den laufenden Betrieb lahmzulegen, erläutern die beiden ebenso anschaulich wie die Art und Weise, wie aus einem Zielbild schließlich eine konkrete Roadmap mit klaren Prioritäten, Verantwortlichkeiten, Meilensteinen und ersten sichtbaren Erfolgen entsteht.Besonderes Augenmerk legen Janz und Irmler außerdem auf den Faktor Mensch. Denn selbst die beste Technik läuft ins Leere, wenn der Change nicht aktiv begleitet wird. Welche Formate helfen, Mitarbeiter einzubinden, Widerstände abzubauen und Akzeptanz zu schaffen, erfahren Sie ebenfalls im Interview. Und zum Schluss geben die beiden drei pragmatische Schritte mit auf den Weg, die jedes mittelständische Unternehmen sofort starten kann – ohne sich gleich in ein riskantes Big-Bang-Projekt zu stürzen.

Ein Gespräch, das jeder lesen sollte, der gerade ein IT- oder Automatisierungsprojekt plant – oder mittendrin steckt und sich fragt, warum es nicht richtig vorangeht.


Silicon Valley Europe: Viele Unternehmen treten bei ihren Transformationsprojekten auf der Stelle. Was bremst aus Ihrer Sicht aktuell die Umsetzung – und warum ist genau das so gefährlich für den Mittelstand?

Markus Irmler: Drei Dinge bremsen: unklare Ziele, gewachsene Prozesse und Daten, die nicht verlässlich sind. Wenn Ziel und Nutzen nicht konkret sind, wird alles überall ein bisschen angefasst – aber nichts fertig. In gewachsenen Abläufen stecken Schattenprozesse und Doppelarbeit, die digitalisiert man sonst – im besten Fall - einfach mit. Im schlechtesten Fall führen nicht berücksichtigte manuelle Prozesse (Biowissen) zu einem erheblichen Problem beim Go-Live. Und mit lücken- oder fehlerhaften Daten scheitert jede Automatisierung am ersten Übergabepunkt. Gefährlich ist das, weil wir Zeit verlieren: Kosten steigen, Kunden gehen an Wettbewerber, und das Team verliert Vertrauen in den notwendigen Veränderungsprozess.


Silicon Valley Europe: Oft hört man, dass komplexe Projekte an der Technik scheitern. Sie sagen, entscheidend sei vielmehr die Zielklarheit. Warum macht genau dieser Unterschied zwischen „Wir müssten mal…“ und „Wir lösen dieses konkrete Problem“ den Erfolg aus?

Markus Irmler: „Wir müssten mal…“ erzeugt für den Moment Projekte ohne Ende und viel Aktivismus. „Wir lösen dieses Problem“ heißt: Wir benennen einen Engpass, legen Ziele und einen messbaren Effekt fest und begrenzen den Scope. Dann lassen sich Architektur, Schnittstellen und Arbeitspakete sauber festlegen. Zielklarheit verkürzt interne Diskussionen, verhindert Sonderlocken und macht Fortschritt messbar – genau das braucht der Mittelstand. Somit kann man jeden noch so großen Veränderungsprozess in überschaubare und beherrschbare Einzelprojekte zerlegen.


Silicon Valley Europe: Sie arbeiten mit einem Zielbildprozess. Wie läuft dieser Prozess in der Praxis ab – und woran erkennen Unternehmen, dass er gut genug ist, um mit der Umsetzung zu starten?

Stephanie Janz: Schlank und fokussiert. Kurz gesagt: gemeinsam klären, gut strukturieren, verbindlich planen. In der Praxis sind es vier Schritte:

  1. Ziel-Workshops: In Klartext festlegen, was erreicht werden soll (Zeit, Qualität, Kosten, Servicelevel) – und was nicht ins Projekt gehört.

  2. Prozess-Check: Kernabläufe End-to-End ansehen, Hürden/Workarounds markieren und die To-Be-Prozesse skizzieren (Rollen & Übergaben inkl.).

  3. Daten-Check: Minimal-Stammdaten und Schnittstellen prüfen, Bereinigungsbedarf und Owner festlegen.

  4. Projektplanung: Daraus eine umsetzbare Planung machen – mit aufeinander aufbauenden Schritten, klaren Verantwortlichkeiten, Terminen und einfachen Messpunkten.

„Gut genug“ ist der Prozess, wenn drei Antworten glasklar sind: Wozu (Nutzen/Ziele), Wer macht was bis wann (Rollen & Reihenfolge) und Woran sehen wir Wirkung (Messpunkte). Ein so strukturierter und begleiteter Zielbildprozess bedeutet in der Praxis im Übrigen viel weniger Aufwand, als viele denken.


Silicon Valley Europe: Bevor Systeme eingeführt werden, sprechen Sie immer vom Grundsatz „Prozesse zuerst“. Warum ist dieser Schritt so entscheidend – und wie finden Unternehmen die größten Hebel in ihren Abläufen?

Stephanie Janz: Systeme verfestigen Abläufe – gute wie schlechte. Wer vorher nicht aufräumt, digitalisiert Ineffizienz. Die größten Hebel finden wir mit einfachen Mitteln: kurze Prozess-Workshops insbesondere auch mit den Praktikern und Interviews in Fokusgruppen, Visualisierung beispielsweise durch Swimlanes sowie Erhebung einiger weniger Kennzahlen je Prozess (Durchlaufzeit, Fehlerquote, Kosten). Daraus leiten wir 2–3 Quick wins ab, die in wenigen Wochen Wirkung zeigen. So entsteht Momentum, noch bevor das neue System live ist.


Silicon Valley Europe: Ein weiterer Knackpunkt ist die Datenqualität. Welche Risiken lauern hier besonders oft – und wie lässt sich schon früh im Projekt erkennen, ob die Daten „fit“ genug sind, um loszulegen?

Markus Irmler: Typische Stolpersteine sind Dubletten, leere Pflichtfelder und inkonsistente Schlüssel in Kunden-, Bewegungs- oder Materialstammdaten. Auf Schnittstellenebene scheitert es häufig an unterschiedlichen Formaten, manuellen Exporten sowie unterschiedlicher Interpretation von Datenfeldern. Unser Frühindikator ist ein Mini-Audit: 10–20 Felder stichprobenartig prüfen, Validierungsregeln aktiv testen, einen Schnittstellen-Trockenlauf fahren. Wenn dabei vieles hakt, starten wir parallel zur Projektarbeit eine gezielte Bereinigung – rollierend statt Big Bang.


Silicon Valley Europe: Wenn das Zielbild steht, muss daraus eine konkrete Roadmap entstehen. Wie entwickelt man aus Vision und To-Be-Struktur einen Umsetzungsplan mit Quick Wins, klaren Verantwortlichkeiten und Meilensteinen?

Stephanie Janz: Wir erarbeiten die Maßnahmen gemeinsam mit den Verantwortlichen und ihren Teams. Danach priorisieren wir die Punkte, legen klare Zuständigkeiten, Abhängigkeiten und Meilensteine fest – und verankern ein bis zwei schnelle Erfolge zu Beginn, damit Wirkung sichtbar wird. Wichtig ist anschließend ein einfacher, verlässlicher Steuerungsrhythmus – regelmäßige kurze Entscheidungsrunden im passenden Takt (z. B. monatlicher Lenkungskreis und zweiwöchentlicher Projektabgleich). Dort klären wir drei Dinge: Was ist erledigt? Was steht als Nächstes an? Wo braucht es eine Entscheidung? So werden Hindernisse zügig aus dem Weg geräumt.


Silicon Valley Europe: Technik allein bringt noch keine Veränderung. Welche Change-Hebel sorgen dafür, dass Mitarbeiter die neuen Systeme wirklich nutzen – und welche Widerstände erleben Sie dabei am häufigsten?

Markus Irmler: Wirkung entsteht, wenn das Team mitzieht. Erfolgshebel sind regelmäßige Info- und Feedbackrunden, das Finden und Fördern von internen Unterstützern (Change Pioniere), kurze Lernformate (Sprechstunden), How-to-Kurzdokus statt langer Handbücher und ein für alle sichtbar gemachter Projektfortschritt. Die häufigsten Widerstände sind „Mehrarbeit“, „passt nicht zu uns“ und Fehlerangst. Dem begegnen wir mit frühzeitiger Information und regelmäßigem Dialog, gemeinsam definierten To-Be-Prozessen, einer sicheren Testumgebung und bedarfsgerechten Schulungen für die Teams. So wird aus Skepsis aktive Beteiligung. Aus unserer Sicht ist auch ein offener und lösungsorientierter Umgang in schwierigen Projektphasen ein entscheidender Erfolgsfaktor.


Silicon Valley Europe: Zum Abschluss die Frage nach der Praxis: Welche drei Schritte können Mittelständler sofort gehen, um sinnvoll zu starten – ohne sich gleich in ein Big-Bang-Projekt zu stürzen?

Stephanie Janz:

  1. Ziele klären (4 Wochen): Wirkziele, Scope, Nicht-Ziele – schriftlich, entschieden.

  2. Prozess & Daten-Quick-Check (2 Wochen): To-Be je Kernprozess, Minimal-Daten-Set, Bereinigungsplan mit Owner.

  3. Projekt-Roadmap (4-6 Wochen): 3–5 Maßnahmen mit Quick wins, Verantwortlichen und Meilensteinen – plus 14-tägige Review-Routine.Damit kommen Sie aus dem Stillstand in die Umsetzung – auch ohne Big Bang.


Silicon Valley Europe: Das Gespräch war äußerst aufschlussreich und hat mir viel Freude bereitet. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Zeit und ganz besonders für den detaillierten Einblick in Ihre pragmatische Vorgehensweise mit Ihren Kunden. Vielen Dank.



bottom of page